Wer Erbt was? – Die gesetzliche Erbfolge in Deutschland

Wer Erbt was? – Die gesetzliche Erbfolge in Deutschland

Der Todesfall eines nahestehenden Menschen ist für die Meisten eine schwere Lebensphase. Neben der Trauer müssen aber auch erbrechtliche Angelegenheiten geklärt werden. Wer ist erbberechtigt? Wie sieht die Erbfolge aus? Hat der Verstorbene ein Testament hinterlassen? Bei Recht auf Pflichtteil klären wir Sie über die gesetzliche Erbfolge auf und zeigen Ihnen, was Sie bei einer Erbschaft alles beachten müssen!

Erben ohne Testament

Die gesetzliche Erbfolge ist in der Anwendung oft der wichtigste Teil des Erbrechts. Sie kommt immer dann zum Einsatz, wenn der Erblasser kein Testament hinterlassen hat. In Deutschland ist das bei 2/3 aller Erbschaften der Fall. Erben ohne Testament ist also hierzulande der Normalfall.

Auch wenn das Testament des Verstorbenen angefochten wird, kann die gesetzliche Erbfolge angewendet werden. Hierfür muss dem Erblasser allerdings die Testierfähigkeit abgesprochen werden, was oft zu Streitigkeiten innerhalb der Familie führt.

Die gesetzliche Erbfolge

Wenn einer der oben genannten Fälle eintritt, wird die Erbfolge und die Höhe des jeweiligen Erbes nach dem bürgerlichen Gesetzbuch geregelt. Hierbei werden die Hinterbliebenen in verschiedenen Ordnungen eingeteilt, welche die jeweilige Höhe des Erbes bestimmen.

Insgesamt gibt es vier verschiedene Ordnungen. Allerdings ist der Ehepartner des Verstorbenen nach der gesetzlichen Erbfolge immer erbberechtigt. Bevor wir uns die Ordnungen im Detail anschauen, lohnt sich also ein kurzer Blick in das Ehegatten-Erbrecht.

Ehegatten-Erbrecht

Neben den Erben der verschiedenen Ordnungen erhalten Ehepartner immer einen Anspruch auf einen bestimmten Teil des Erbes. Das Ehegatten-Erbrecht schränkt also das Erbe der anderen Angehörigen ein. Die Höhe des Anteils, welches der Ehepartner erhält, hängt davon ab, welche Erben aus welcher Ordnung noch am Leben sind und einen Anspruch auf einen Teil des Erbes haben.

Sollten noch Erben erster Ordnung vorhanden sein, also die Kinder des Verstorbenen, so erbt der Ehepartner neben den Kindern 1/3 des Erbes. Verstirbt der Erblasser kinderlos, geht der Anspruch an die die Erben zweiter Ordnung – also Eltern und Geschwister des Erblassers. Der Ehepartner hat gegenüber diesen Erben einen Anspruch auf 1/2 des gesamten Nachlasses.

Die Ehepartner können ihren Anspruch gegenüber Erben erster Ordnung auf 50 % erhöhen, wenn sie in einer sogenannten Zugewinngemeinschaft mit ihrem Partner gelebt haben. Das ist immer der Fall wenn die Ehepartner keinen Ehevertrag abgeschlossen haben.

Die Ordnungen der gesetzlichen Erbfolge

Innerhalb des Erbrechts werden die Hinterbliebenen des Erblassers in verschiedene Ordnungen eingeteilt, die sich am jeweiligen Verwandtschaftsverhältnis orientieren. Insgesamt gibt es vier Ordnungen. Wir haben für Sie einen Überblick erstellt:

1. Ordnung: Kinder, Enkel und weitere direkte Nachfahren der Kinder des Verstorbenen

2. Ordnung: Eltern, Geschwister und weitere Nachkommen der Eltern des Erblassers

3. Ordnung: Großeltern, Onkel, Tante und deren weitere Abkömmlinge

4. Ordnung: Urgroßeltern, Großonkel, Großtante und deren Abkömmlinge

Gesetzliche Erbfolge – wer erbt was?

Grundsätzlich gilt, dass sich die verschiedenen Ordnungen immer gegenseitig ausschließen. Erben zweiter Ordnung erben also nur dann, wenn keine Erben aus der ersten Ordnung oder deren Abkömmlinge am Leben sind.

Das Erbrecht geht auch dann auf die nächste Ordnung über, wenn alle Erben aus der vorherigen Ordnung das Erbe ausschlagen.

In den folgenden Abschnitten schauen wir uns verschiedene Erbfälle anhand von Beispielen an.

Erbfall Erste Ordnung

Zu den Erben erster Ordnung zählen die Kinder des Verstorbenen, die neben dem Ehepartner als Haupterben in der gesetzlichen Erbfolge festgelegt sind. Innerhalb des Erbrechts werden die Kinder in sogenannte Stämme eingeteilt.

Ist ein Kind des Erblassers bereits verstorben, geht sein Anspruch auf seinen Stamm und somit an die Enkel des Erblassers über. Der Anspruch wird dabei zu gleichen Teilen an die Enkel weitergegeben.

Um den genauen Ablauf zu verdeutlichen, zeigen wir Ihnen den Erbfall erster Ordnung anhand eines Beispiels.

Erbfall Erste Ordnung – Ein Beispiel

Ein Verstorbener hinterlässt bei seinem Tod einen Ehepartner und drei Kinder, von denen eins bereits verstorben ist. Die Ehegatten haben in einer Zugewinngemeinschaft gelebt – hatten also keinen Ehevertrag – und das verstorbene Kind hatte 2 Kinder.

Da der Erblasser einen Ehepartner hatte, erhält der überlebende Ehegatte einen Anteil von 50% des gesamten Nachlasses. Der Rest wird zwischen den Erben erster Ordnung aufgeteilt.

Die drei Kinder erhalten also insgesamt 50% des Nachlasses und davon jeweils 1/3. Das entspräche einem Anteil von 1/6 des gesamten Erbes. Da ein Kind aber bereits verstorben ist, geht der Anspruch auf den Stamm, also die zwei hinterbliebenen Enkel des Erblassers, über. Das Kind würde 1/3 von 50% des Nachlasses erhalten. Den zwei Enkeln steht also davon jeweils die Hälfte zu. Konkret erhalten sie 50% von 1/3 des halben Nachlasses – das sind jeweils 1/12 vom gesamten Erbe.

Sonderfall Adoptiv- und Stiefkinder

Einen Sonderfall im Erbrecht stellen Adoptiv- und Stiefkinder dar, die als Kinder eigentlich zu den Erben erster Ordnung zählen. Das gilt aber nur für Adoptivkinder, denn diese werden in der gesetzlichen Erbfolge den leiblichen Kindern gleichgestellt.

Stiefkinder werden im Gegensatz dazu nicht zu den direkten Nachfahren gezählt. In der gesetzlichen Erbfolge sind Stiefkinder nicht erbberechtigt.

Erbfall Zweiter Ordnung

Bei den Erben zweiter Ordnung handelt es sich um die Eltern und Geschwister des Erblassers. Diese haben erst dann ein Anrecht auf einen Teil des Erbes, wenn kein Erbe aus der ersten Ordnung am Leben ist oder alle das Erbe ausgeschlagen haben.

Hier sind zunächst die Eltern des Verstorbenen erbberechtigt. Wenn noch ein Ehepartner vorhanden ist, hat dieser gegenüber den Erben zweiter Ordnung einen Anspruch auf 50% des Nachlasses. Der Rest wird zwischen den Erben zweiter Ordnung aufgeteilt.

Die Erben der zweiten Ordnung werden in sogenannte Linien aufgeteilt. Sollten die Eltern bereits verstorben sein, geht der Anspruch auf die direkten Nachfahren der Linie über. Dazu zählen auch Halbgeschwister, die in der gesetzlichen Erbfolge wie Vollgeschwister betrachtet werden.

Erbfall Zweiter Ordnung – Ein Beispiel

Ein Verstorbener hinterlässt bei seinem Tod einen Ehepartner, jedoch keine Kinder. Die Mutter des Erblassers ist bereits verstorben und hinterließ zwei Kinder, von denen eines den gleichen Vater wie der Verstorbene hat. Bei dem anderen Kind handelt es sich um den Halbbruder des Erblassers.

Zuerst muss bei diesem Fall wieder das Ehegatten-Erbrecht beachtet werden. Da keine Erben der ersten Ordnung verfügbar sind, hat der Ehepartner immer Anspruch auf 50% des Nachlasses – egal ob sie einen Ehevertrag hatten oder nicht. Der Ehepartner erhält also auch hier 50% vom Gesamterbe.

Das restliche Erbe wird zwischen den Linien der Eltern aufgeteilt. Der nach lebende Vater erhält insgesamt 50% der Hälfte des Nachlasses, insgesamt also 1/4 des Erbes. Die anderen 50% würden an die Mutter übergehen, die aber bereits verstorben ist. Ihr Anteil wird also zu gleichen Teilen an ihre Linie aufgeteilt. Somit stehen dem Halbbruder und der Vollschwester jeweils 25% von der Hälfte des Nachlasses. Sie erhalten also 1/8 des gesamten Erbes.

Erbfall Dritter Ordnung

Die Erben dritter Ordnung können erst erben, wenn keine Personen der ersten und zweiten Ordnung vorhanden sind oder das Erbe ausgeschlagen haben. Diese Erbfolge tritt nur in seltenen Fällen auf.

Zu den Erben der dritten Ordnung zählen die Großeltern des Verstorbenen sowie deren direkten Nachfahren. In der Regel sind das Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen. Auch hier werden die Nachkommen wieder in Linien aufgeteilt.

Erbfall Dritter Ordnung – Ein Beispiel

Ein Verstorbener hinterlässt keinen Ehepartner, keine Kinder und auch keine Eltern. Außerdem sind auch keine anderen Erbberechtigten aus den vorherigen Ordnungen vorhanden. Auch die Großeltern sind bereits verstorben. Die einzigen Erben sind ein Sohn der bereits verstorbenen Großmutter sowie zwei Töchter des ebenfalls verstorbenen Großvaters, also ein Onkel und zwei Tanten des Erblassers.

Da weder Ehepartner noch andere Erben der ersten beiden Ordnungen vorhanden sind, geht der gesamte Nachlass zu gleichen Teilen an die Linien der Erben der dritten Ordnung. Den Großeltern würden also jeweils 50% des gesamten Erbes erhalten. Da beide jedoch bereits tot sind, geht der Anteil an die jeweiligen Linien über, die ihren Anteil wieder zu gleichen Teilen untereinander aufteilen.

Der Onkel – also das einzige Kind der Großmutter – erhält den gesamten Anspruch seiner Mutter, also 50% vom kompletten Nachlass. Zwischen den beiden Tanten wird das restliche Erbe aufgeteilt – sie erhalten also jeweils 25% des Nachlasses.

Erbfall Vierter Ordnung

Nur in ganz seltenen Fällen treten die Erben der vierten Ordnung als Erben auf. Hier wird das Erbe auch nicht mehr aufgeteilt, sondern nur nach dem nächststehenden Verwandten gesucht. Dieser erhält dann das komplette Erbe. Sind noch Erben mit gleichem Verwandtschaftsgrad vorhanden, wird das Erbe zwischen diesen aufgeteilt.

Was passiert wenn keine Verwandten vorhanden sind?

Sollte trotz intensiver Recherche kein einziger Verwandter des Erblassers zu finden sein, geht das Erbe an den Staat. Auch wenn alle Erben ihren Anteil ausgeschlagen haben, tritt der Staat als Haupterbe ein. Vor allem bei verschuldeten Nachlässen geht die Erbschaft in der Regel an den Staat.

Erbe ausschlagen – Das müssen Sie beachten

Eine Erbschaft ist nicht immer eine erfreuliche Nachricht – besonders wenn es sich beim Nachlass nicht um ein Vermögen oder Immobilien handelt, sondern um einen Schuldenberg, den der Erblasser zu Lebenszeiten angehäuft hat.

Als Teil der gesetzlichen Erbfolge haben Erben immer auch das Recht, das Erbe auszuschlagen. Dafür haben Sie eine Frist von 6 Wochen, die mit dem Zeitpunkt beginnt, wo sie über ihr Erbe informiert worden sind. In einem solchen Fall kann die Person allerdings keinerlei Vermögenswerte oder sonstige Gegenstände des Nachlasses beanspruchen. Mehr zum Thema Erbe ausschlagen finden Sie hier.

Probleme bei der gesetzlichen Erbfolge

Auch wenn die gesetzliche Erbfolge in Deutschland bei den meisten Erbschaften angewendet wird, kann es hierbei zu zahlreichen Problemen kommen.

Die Ansprüche innerhalb der Erbfolge sind gesetzlich festgeschrieben und können nur in absoluten Ausnahmefällen angefochten werden. Individuelle Familiensituationen werden nicht berücksichtigt. Egal also, ob der Verstorbene ein zerrüttetes Verhältnis zu einem seiner Kinder hatte, jedes Kind ist laut der gesetzlichen Erbfolge immer erbberechtigt.

Um Streitigkeiten zu verhindern, ist es also besser, sein Erbe vor dem Todesfall zu regeln. Das Erbrecht sieht dazu verschiedene Möglichkeiten vor.

So legen Sie die Erbfolge selber fest

Als Erblasser haben Sie das Recht, ihre Erbfolge bereits zu Lebzeiten festzulegen. Dazu müssen Sie ein Testament aufsetzen und von einem Notar beglaubigen lassen. So können Sie verhindern, dass Ihr Testament angefochten wird, wodurch die gesetzliche Erbfolge wieder greifen würde.

Als Alternative zum Testament können Sie auch einen Erbvertrag aufsetzen. Hierbei können Sie die Annahme Ihres Nachlasses an bestimmte Regeln knüpfen. Sie können zum Beispiel fordern, dass Ihre Kinder das Erbe nur erhalten, wenn Sie sich nach Ihrem Tod um den hinterbliebenen Ehepartner kümmern.

So kann Ihnen ein Anwalt bei der Durchsetzung Ihrer Erbrechte helfen

Wenn Sie ein Testament oder Erbvertrag aufsetzen möchten, um die gesetzliche Erbfolge zu umgehen, kann die Beratung durch einen Anwalt hilfreich sein. Ein Anwalt kann Sie umfangreich über Ihre Rechte und Möglichkeiten aufklären, sodass Sie Ihr Erbe genau nach Ihren Vorstellungen festlegen können. Durch anwaltliche Beratung verringern Sie außerdem die Wahrscheinlichkeit, dass Ihr Testament angefochten wird.

Auch wenn Sie im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge eine Erbschaft antreten wollen, sollten Sie den Kontakt zu einem Anwalt suchen. So können Sie den Ihnen zustehenden Anteil genau berechnen und Ihren Erbanspruch durchsetzen. Besonders, wenn es zu Erbstreitigkeiten kommt, sollten Sie unbedingt einen Anwalt für Erbrecht konsultieren.

Durchsetzung Ihrer Erbrechte mit den Experten von Recht auf Pflichtteil

Egal ob als Erblasser oder Erbe – eine Erbschaft ist oft eine komplizierte Angelegenheit, die viel juristisches Feingefühl erfordert. Viele sind nur unzureichend über Ihre Erbrechte informiert und kennen nicht die unzähligen Gestaltungsmöglichkeiten, die das Erbrecht für die Festlegung der Erbfolge bietet.

Gemeinsam mit unseren Partnerkanzleien bieten wir Ihnen eine umfangreiche Rechtsberatung zum Thema Erbrecht. Egal ob Sie ein Vermögen vererben oder eine Vermögensnachfolge antreten wollen, mit der Hilfe unserer spezialisierten Anwälte können Sie Ihr Erbrecht erfolgreich durchsetzen.

Unsere Anwälte haben langjährige Erfahrungen im Bereich Erbrecht und konnten bereits zahlreiche Erbstreitigkeiten für Ihre Klienten beilegen. Profitieren auch Sie von unserer Expertise und vereinbaren Sie noch heute einen Beratungstermin!