Die Testierfähigkeit des Erblassers ist ein zentraler Begriff im Erbrecht, der sicherstellt, dass eine Person in der Lage ist, rechtsverbindliche Verfügungen über ihr Vermögen zu treffen. Dieser Artikel bietet einen detaillierten Einblick in die Testierfähigkeit, die relevanten rechtlichen Rahmenbedingungen sowie die verschiedenen Faktoren, die sie beeinflussen können.
Was ist die Testierfähigkeit des Erblassers?
Laut Definition beschreibt der Begriff „Testierfähigkeit“ die Fähigkeit eines Erblassers, ein rechtlich wirksames Testament zu erstellen. Diese Fähigkeit ist entscheidend, um sicherzustellen, dass der letzte Wille des Erblassers ordnungsgemäß umgesetzt wird.
Eine Person gilt als testierfähig, wenn sie die Folgen ihrer testamentarischen Verfügungen versteht und in der Lage ist, Entscheidungen frei und unabhängig zu treffen.
Testierfreiheit vs Testierfähigkeit: Was ist der Unterschied?
Obwohl die Begriffe „Testierfreiheit“ und „Testierfähigkeit“ oft im Zusammenhang mit der Errichtung eines Testaments verwendet werden, unterscheiden sie sich grundlegend voneinander. Testierfreiheit bezeichnet das Recht jedes mündigen und testierfähigen Menschen, frei über sein Vermögen durch ein Testament zu verfügen.
Dies bedeutet, dass der Erblasser innerhalb der gesetzlichen Rahmenbedingungen entscheiden kann, wie sein letzter Wille gestaltet und unter welchen Bedingungen das Vermögen weitergegeben wird.
Die Testierfähigkeit hingegen ist die Voraussetzung, dass eine Person in der Lage ist, diese Freiheit überhaupt auszuüben. Sie bezieht sich auf die geistige und rechtliche Fähigkeit, ein Testament wirksam zu errichten.
Während die Testierfreiheit allen volljährigen und mündigen Bürgern zusteht, ist die Testierfähigkeit davon abhängig, ob der Testierende die erforderliche geistige Klarheit und Gesundheit besitzt, um die Konsequenzen seiner Entscheidungen zu verstehen und selbstbestimmt zu handeln. Nur wer testierfähig ist, kann seine Testierfreiheit voll ausschöpfen.
Was macht eine Person testierfähig?
Für die Testierfähigkeit müssen bestimmte rechtliche und geistige Voraussetzungen erfüllt sein. Laut § 2229 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ist ein Erblasser testierfähig, wenn er das 16. Lebensjahr vollendet hat und nicht an einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit leidet, die seine Entscheidungsfähigkeit beeinträchtigt.
Wesentliche Faktoren für die Testierfähigkeit umfassen:
- Mindestalter: Ein Erblasser muss mindestens 16 Jahre alt sein, um ein Testament zu errichten. Ein minderjähriger Erblasser im Alter von 16 bis 18 Jahren benötigt keine Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters, um eine Verfügung über sein Vermögen zu treffen.
- Geistige Gesundheit: Der Erblasser darf nicht unter einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit oder geistesschwäche leiden, die seine Fähigkeit einschränkt, die Bedeutung und die Folgen seiner testamentarischen Entscheidungen zu verstehen.
Wann liegt die Testierunfähigkeit des Erblassers vor?
Die Testierunfähigkeit tritt ein, wenn die Person aufgrund geistiger oder psychischer Beeinträchtigungen nicht in der Lage ist, ein rechtlich wirksames Testament zu errichten.
Das kann zum Beispiel wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit der Fall sein. Wenn also eine schwere geistige Erkrankung, wie Schizophrenie oder eine fortgeschrittene Demenz vorliegt, kann das dazu führen, dass der Erblasser nicht mehr in der Lage ist, rationale Entscheidungen zu treffen.
Eine verminderte geistige Leistungsfähigkeit oder Altersverwirrtheit kann ebenfalls dazu führen, dass ein Erblasser testierunfähig wird. Auch hier ist die Fähigkeit zur freien Willensbildung entscheidend.
Testierfähigkeit des Erblassers und Demenz
Demenz ist eine degenerative Erkrankung, die die kognitiven Fähigkeiten stark beeinträchtigen kann und somit eine direkte Auswirkung auf die Testierfähigkeit des Erblassers hat:
In den frühen Stadien der Demenz kann der Testierende möglicherweise noch testierfähig sein, sofern er die Bedeutung seiner Handlungen versteht. In fortgeschrittenen Stadien kann die Testierunfähigkeit des Erblassers jedoch eintreten.
Um die Testierfähigkeit des Erblassers bei Verdacht auf Demenz zu klären, kann eine ärztliche oder psychologische Begutachtung erforderlich sein. Ein solches Gutachten kann dazu beitragen, die Testierfähigkeit im Ernstfall zu belegen.

Testierfähigkeit minderjähriger Erblasser
Minderjährige Erblasser, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, können unter bestimmten Voraussetzungen ein Testament errichten:
Ein minderjährige Person im Alter von 16 bis 18 Jahren gilt als testierfähig, auch ohne die Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters. Allerdings muss er in der Lage sein, die Konsequenzen seiner testamentarischen Verfügungen zu verstehen.
Bei der Errichtung eines Testaments durch minderjährige Erblasser ist besondere Vorsicht geboten. Es kann sinnvoll sein, eine notarielle Beglaubigung in Erwägung zu ziehen, um spätere Anfechtungen zu verhindern.
Testierfähigkeit des Erblassers bei geistiger Beeinträchtigung
Geistige Beeinträchtigungen können die Testierfähigkeit des Erblassers erheblich beeinflussen. Dabei gilt es, die individuelle Situation genau zu beurteilen:
Nicht jede geistige Beeinträchtigung führt zur Testierunfähigkeit des Erblassers. Beispielsweise können Menschen mit einer leichten geistigen Beeinträchtigung oder einer behandelten Depression unter Umständen weiterhin in der Lage sein, ein Testament zu errichten.
Entscheidend ist, dass der Erblasser in der Lage ist, eine freie und bewusste Entscheidung zu treffen. Ein ärztliches Gutachten kann helfen, die Testierfähigkeit zu belegen.
Betreuungsrecht und Testierfähigkeit
Das Betreuungsrecht spielt eine wichtige Rolle bei der Frage der Testierfähigkeit, insbesondere bei Personen, die unter gesetzlicher Betreuung stehen. Es ist ein häufiger Irrtum, dass jemand, der unter Betreuung steht, automatisch testierunfähig ist.
In Wirklichkeit bleibt die Testierfähigkeit erhalten, sofern der Betreute trotz seiner Betreuung in der Lage ist, die Bedeutung und Tragweite seiner testamentarischen Verfügungen zu verstehen. Das Betreuungsrecht sieht vor, dass der Betreuer keine direkte Befugnis hat, über die Testierfähigkeit des Betreuten zu entscheiden oder ein Testament im Namen des Betreuten zu errichten.
Wenn jedoch Zweifel an der Testierfähigkeit bestehen, insbesondere wenn der Betreute unter einer geistigen Beeinträchtigung oder einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit leidet, kann ein ärztliches Gutachten erforderlich sein, um die Testierfähigkeit festzustellen.
Wer trägt die Beweislast bei der Testierfähigkeit des Erblassers?
In Fällen, wo Zweifel an der Testierfähigkeit einer Person geäußert werden, spielt die Beweislast eine zentrale Rolle:
Wird die Testierfähigkeit des Erblassers angefochten, liegt die Beweislast bei der Person, die die Anfechtung geltend macht. Sie muss nachweisen, dass der Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung testierunfähig war.
Zu den möglichen Beweismitteln zählen ärztliche Gutachten, Zeugenaussagen und Dokumentationen, die den geistigen Zustand des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung belegen.
Schutz vor Anfechtung durch Dokumentation
Um die Testierfähigkeit des Erblassers zu schützen und Anfechtungen zu vermeiden, können verschiedene Maßnahmen ergriffen werden:
Eine sorgfältige Dokumentation des geistigen Zustands des Erblassers kann im Ernstfall entscheidend sein. Diese sollte insbesondere dann erstellt werden, wenn der Erblasser an einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit leidet oder Zweifel an seiner geistigen Gesundheit bestehen.
Eine notarielle Beglaubigung des Testaments kann zusätzliche Sicherheit bieten, da der Notar die Testierfähigkeit des Erblassers bestätigt. Dies kann die Beweislast im Falle einer Anfechtung deutlich erschweren.
Mehr Rechtssicherheit durch notarielle Beglaubigung
Eine notarielle Beglaubigung eines Testaments bietet zusätzliche Rechtssicherheit und Schutz vor Anfechtungen:
Bei der notariellen Beurkundung eines Testaments überprüft der Notar die Identität und die Testierfähigkeit des Erblassers. Diese Beurkundung reduziert das Risiko von Anfechtungen erheblich.
Der Notar dokumentiert die Umstände der Testamentserrichtung und den Zustand des Erblassers, was im Falle eines Streits über die Testierfähigkeit wertvolle Beweismittel liefert.

Anfechtung der Testierfähigkeit: Die Beweislast
Bei Zweifeln an der Testierfähigkeit des Erblassers gibt es verschiedene Möglichkeiten, ein Testament anzufechten:
Eine Anfechtungsklage kann eingereicht werden, wenn die Testierfähigkeit des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung in Frage steht. Die Beweislast liegt bei der Partei, die die Anfechtung geltend macht.
Der Anfechtende muss durch Beweismittel, wie medizinische Gutachten oder Zeugenaussagen, nachweisen, dass die Testierunfähigkeit des Erblassers vorlag.
Erbscheinsverfahren beim Nachlassgericht
Das Erbscheinsverfahren dient der gerichtlichen Feststellung der Erben und der Überprüfung der Testierfähigkeit des Erblassers:
Nach dem Tod des Erblassers können Erben beim Nachlassgericht einen Erbschein beantragen. Das Gericht prüft dabei die Gültigkeit des Testaments und die Testierfähigkeit des Erblassers.
Das Nachlassgericht untersucht alle relevanten Dokumente, einschließlich des Testaments und etwaiger Gutachten, um einen Beschluss über die Erteilung des Erbscheins zu fassen. Die Beweislast liegt dabei bei den Antragstellern, die die Echtheit und Gültigkeit des Testaments belegen müssen.
Zivilgerichtsverfahren und Beweislast
In Fällen von Streitigkeiten über die Testierfähigkeit des Erblassers kann ein Zivilgerichtsverfahren notwendig werden:
Bei rechtlichen Auseinandersetzungen über die Testierfähigkeit entscheidet das Zivilgericht, welche Beweise zulässig und überzeugend sind. Die Beweislast trägt dabei in der Regel die Partei, die die Testierunfähigkeit des Erblassers behauptet.
Das Gericht wägt die vorgelegten Beweise ab und entscheidet, ob die Testierfähigkeit des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung gegeben war. Ein solches Urteil hat weitreichende Auswirkungen auf die Gültigkeit des Testaments und die Rechte der Erben.
Schutz vor Erbschleichern durch Beweislastumkehr
Erbschleicher versuchen oft, sich durch Ausnutzung von Unsicherheiten über die Testierfähigkeit des Erblassers einen Vorteil zu verschaffen:
Erbschleicher nutzen oft die geistige Schwäche oder die krankhafte Störung der Geistestätigkeit des Erblassers aus, um sich in das Testament einzuschleichen. Sie versuchen, die Beweislast zu ihren Gunsten zu verschieben.
Um sich gegen Erbschleicher zu schützen, sollte der Erblasser rechtzeitig Vorsorge treffen, etwa durch eine notarielle Beglaubigung und die Dokumentation seines geistigen Zustands. Dies kann die Beweislast im Falle einer Anfechtung erheblich erschweren.
Fazit
Die Testierfähigkeit des Erblassers ist ein zentrales Element im Erbrecht, das sicherstellt, dass Testamente rechtswirksam und den Wünschen des Erblassers entsprechend umgesetzt werden. Die Prüfung der Testierfähigkeit kann komplex sein, besonders wenn Zweifel an der geistigen Gesundheit des Erblassers bestehen.
Um rechtliche Konflikte und Anfechtungen zu vermeiden, ist es ratsam, sich frühzeitig beraten zu lassen und auf notarielle Beglaubigungen zurückzugreifen. So kann die Beweislast im Falle von Anfechtungen klar geregelt werden, und der Wille des Erblassers wird bestmöglich geschützt.
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