Die Enterbung eines nahen Angehörigen ist ein schwieriges Thema, das oft zu erheblichen Konflikten innerhalb der Familie führt. Enterbung bedeutet, dass eine Person im Testament oder Erbvertrag des Erblassers nicht als Erbe berücksichtigt wird. Doch gibt es etwas, dass man tun kann, wenn man enterbt wurde und seine Rechte wahrnehmen möchte? In diesem Beitrag erfahren Sie alles Wissenswerte zu den rechtlichen Grundlagen der Enterbung, den Gründen, einer Enterbung, und wie Sie eine Enterbung anfechten können.
Juristische Definition der Enterbung
Unter „Enterbung“ versteht man die bewusste Entscheidung des Erblassers, einen gesetzlichen Erben von der Erbfolge auszuschließen. Diese Entscheidung wird in der Regel in einem Testament oder einem Erbvertrag festgehalten.
Der enterbte Angehörige wird dabei entweder vollständig von der Erbschaft ausgeschlossen oder auf seinen Pflichtteil verwiesen. Die Enterbung kann aus unterschiedlichen Gründen erfolgen, die sowohl objektiver als auch subjektiver Natur sein können. Wichtig ist hierbei, dass die Verfügung klar und rechtlich einwandfrei formuliert ist.

Gründe für eine Enterbung
Es gibt viele Gründe, die einen Erblasser dazu veranlassen können, einen Angehörigen zu enterben. Häufige Motive sind familiäre Spannungen, Enttäuschungen oder der Wunsch, das Vermögen einer anderen Person zukommen zu lassen, die nicht zur gesetzlichen Erbfolge gehört.
Auch moralische, religiöse oder ethische Differenzen können eine Rolle spielen. Zusätzlich gibt es rechtlich anerkannte Gründe, die eine Enterbung rechtfertigen können, wie schwere Straftaten des Erben gegenüber dem Erblasser oder anderen nahestehenden Personen.
Beispiele für Gründe für eine Enterbung
Es gibt verschiedene Szenarien, in denen ein Erblasser entscheiden kann, einen Angehörigen zu enterben. Ein häufig vorkommender Grund ist ein tiefgreifender familiärer Konflikt, der das Vertrauensverhältnis zwischen Erblasser und Erbe nachhaltig zerstört hat. Beispielsweise könnte eine anhaltende Streitigkeit über finanzielle Angelegenheiten oder wiederholte Missachtung der familiären Werte durch den Erben zu einer Enterbung führen.
Auch strafrechtlich relevantes Verhalten des Erben, wie etwa schwere körperliche Übergriffe oder Betrug gegenüber dem Erblasser, kann eine Enterbung rechtfertigen. Weiterhin können moralische oder religiöse Differenzen dazu führen, dass der Erblasser die Entscheidung trifft, einen Angehörigen nicht zu bedenken.
In einigen Fällen spielt auch die Sorge des Erblassers um den sorgsamen Umgang mit dem Erbe eine Rolle, etwa wenn der Erbe als verschwenderisch oder verantwortungslos gilt. Schließlich kann der Wunsch, das Vermögen einem anderen Begünstigten zukommen zu lassen, der dem Erblasser besonders nahestand, ein weiterer Grund für eine Enterbung sein.
Wie kann man jemanden enterben?
Um eine Enterbung wirksam vorzunehmen, muss der Erblasser diese in einem Testament oder Erbvertrag klar und unmissverständlich ausdrücken. Dabei ist es wichtig, dass die Verfügung den gesetzlichen Formvorschriften entspricht.
Der Erblasser muss seine Entscheidung deutlich zum Ausdruck bringen, den gesetzlichen Erben von der Erbfolge auszuschließen. Es ist dabei nicht zwingend notwendig, einen Grund für die Enterbung anzugeben, es sei denn, es handelt sich um die Entziehung des Pflichtteils. Fehler in der Formulierung oder fehlende Klarheit können jedoch dazu führen, dass die Enterbung rechtlich unwirksam ist.
Folgen einer Enterbung
Die Enterbung hat weitreichende Folgen für den betroffenen Angehörigen. Er verliert seinen Anspruch auf die reguläre Erbschaft und kann lediglich den Pflichtteil aus dem Nachlass geltend machen, sofern er pflichtteilsberechtigt ist.
Dies führt häufig zu rechtlichen Auseinandersetzungen, insbesondere dann, wenn der enterbte Angehörige die Enterbung für ungerecht hält. Wird die Enterbung erfolgreich angefochten, können die testamentarischen Verfügungen des Erblassers unwirksam werden, und die gesetzliche Erbfolge tritt wieder in Kraft. Dies führt oft zu einer vollständigen Neuregelung der Nachlassverteilung.

Der Pflichtteil
Das Pflichtteilsrecht ist eine gesetzliche Schutzvorschrift, die dafür sorgt, dass bestimmte Angehörige des Erblassers auch bei einer Enterbung nicht vollständig von der Erbfolge ausgeschlossen werden können. Der Pflichtteil ist ein Mindestanteil am Erbe, der in Geld ausgezahlt wird. Dieser Anteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Das Pflichtteilsrecht greift dann, wenn der Erblasser den pflichtteilsberechtigten Angehörigen durch Testament oder Erbvertrag von der Erbschaft ausgeschlossen hat.
Alles zum Thema Pflichtteil und Pflichtteilsansprüche können Sie in diesem Artikel nachlesen.
Wer hat Anspruch auf den Pflichtteil?
Anspruch auf den Pflichtteil haben in erster Linie die direkten Abkömmlinge des Erblassers, also Kinder und Enkelkinder, sowie der Ehepartner oder eingetragene Lebenspartner. Wenn keine Nachkommen vorhanden sind, können auch die Eltern des Erblassers einen Pflichtteilsanspruch geltend machen.
Der Pflichtteil entsteht automatisch mit dem Tod des Erblassers, und der Anspruch muss aktiv geltend gemacht werden. Andere Angehörige wie Geschwister oder entfernte Verwandte haben keinen Anspruch auf den Pflichtteil.
Entziehung des Pflichtteils
In besonderen Ausnahmefällen kann der Erblasser den Pflichtteil einem pflichtteilsberechtigten Angehörigen entziehen.
Dies ist jedoch nur unter sehr strengen Voraussetzungen möglich. Die Entziehung kann zum Beispiel erfolgen, wenn der Pflichtteilsberechtigte eine schwere Straftat gegen den Erblasser oder seine Familie begangen hat oder wenn er seine familiären Pflichten erheblich vernachlässigt hat. Auch ein „ehrloser und unsittlicher Lebenswandel“ kann ein Grund für die Entziehung des Pflichtteils sein. Die Gründe für die Entziehung müssen in der Verfügung genau dargelegt werden.
Wann kann man eine Enterbung anfechten?
Eine Enterbung kann angefochten werden, wenn der enterbte Angehörige der Ansicht ist, dass die Enterbung ungerechtfertigt war oder dass das Testament oder der Erbvertrag formelle Fehler aufweist.
Typische Anfechtungsgründe sind Willensmängel des Erblassers, wie zum Beispiel Täuschung oder Zwang, Formfehler im Testament oder unklare Formulierungen. Auch wenn der Pflichtteil zu Unrecht entzogen wurde, kann dies ein Grund für eine Anfechtung sein. Wer seine Rechte in einer solchen Situation wahren möchte, sollte frühzeitig rechtliche Schritte einleiten.

Herabsetzungsklage
Die Herabsetzungsklage ist ein juristisches Instrument, das enterbten Pflichtteilsberechtigten zur Verfügung steht, um ihren Pflichtteil einzufordern. Durch diese Klage wird das Testament oder der Erbvertrag dahingehend überprüft, dass der Pflichtteil nicht unzulässig gemindert wurde.
Ziel der Herabsetzungsklage ist es, die testamentarischen Verfügungen so anzupassen, dass der enterbte Pflichtteilsberechtigte den ihm gesetzlich zustehenden Mindestanteil am Erbe erhält. Diese Klage ist besonders dann wichtig, wenn der Pflichtteil zugunsten eines anderen Erben gekürzt wurde.
Ungültigkeitsklage
Eine weitere rechtliche Möglichkeit, eine Enterbung anzufechten, ist die Ungültigkeitsklage. Diese Klage wird erhoben, wenn das Testament oder der Erbvertrag formale Mängel aufweist, der Erblasser nicht testierfähig war oder das Testament unter Zwang, Täuschung oder Irrtum erstellt wurde.
Erfolgt eine solche Klage erfolgreich, werden das Testament oder bestimmte Verfügungen darin für ungültig erklärt. Dies kann dazu führen, dass die gesetzliche Erbfolge greift oder ein früheres Testament wieder in Kraft tritt.
Folgen der Anfechtung
Wenn Sie eine Enterbung erfolgreich anfechten, hat dies tiefgreifende rechtliche Auswirkungen. Die testamentarischen Verfügungen, die die Enterbung betreffen, werden unwirksam, und der Enterbte wird wieder in die Erbfolge einbezogen.
Dies bedeutet, dass er entweder als regulärer Erbe oder als Pflichtteilsberechtigter berücksichtigt wird. Die Aufhebung der Enterbung kann dazu führen, dass die Nachlassverteilung insgesamt neu geregelt werden muss. Oftmals führt dies zu einer erheblichen Minderung des Erbanteils anderer Erben.
Enterbung anfechten: So stehen Ihre Chancen
Die Chancen, eine Enterbung erfolgreich anzufechten, variieren je nach Einzelfall. Bestehen formale Mängel im Testament oder dem Erbvertrag, oder gibt es Zweifel an der Testierfähigkeit des Erblassers, stehen die Chancen für eine erfolgreiche Anfechtung gut.
Auch wenn die Gründe für die Enterbung nicht stichhaltig sind, kann dies die Erfolgsaussichten erhöhen. Ein rechtzeitiger rechtlicher Beistand ist dabei entscheidend, um die individuelle Situation zu bewerten und die besten Chancen zu nutzen.
Fristen und Verjährungen bei Enterbung und Anfechtung
Bei der Anfechtung einer Enterbung müssen strikte Fristen eingehalten werden. Die Anfechtung eines Testaments oder Erbvertrags muss in der Regel innerhalb eines Jahres erfolgen, nachdem der Anfechtungsgrund bekannt wurde. Meist beginnt diese Frist mit dem Tod des Erblassers. Werden diese Fristen versäumt, kann die Enterbung nicht mehr erfolgreich angefochten werden. Daher ist es für enterbte Angehörige entscheidend, zügig zu handeln und ihre Rechte rechtzeitig geltend zu machen.
Enterbung anfechten: Top-Beratung mit den Partnerkanzleien von VH24
Die Enterbung ist ein komplexer rechtlicher Vorgang, der sowohl emotional belastend als auch juristisch herausfordernd sein kann. Wer enterbt wurde oder die Enterbung eines Angehörigen anfechten möchte, sollte sich eingehend über seine Rechte und die bestehenden Möglichkeiten informieren. Mit den richtigen juristischen Schritten und einer klaren Kenntnis des Pflichtteilsrechts können die Erfolgsaussichten einer Anfechtung deutlich gesteigert werden. Sorgfältige Prüfung und rechtzeitige Handlungen sind hierbei entscheidend, um den eigenen Anteil am Erbe zu sichern.
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