Neben dem Testament und der gesetzlichen Erbfolge ist der Erbvertrag die beliebteste Alternative, um die Verteilung des Nachlasses zu organisieren. Im Gegensatz zum Testament ist der Erbvertrag ein rechtlich stärkeres Dokument, der sowohl Erblasser als auch Erben an die im Vertrag getroffenen Verfügungen bindet. Doch ein Erbvertrag ist nicht allen Situationen zu empfehlen.
Erfahren Sie in unserem Artikel, wie genau ein Erbvertrag funktioniert, wann er einem Testament vorzuziehen ist und welche rechtlichen Gestaltung- und Widerrufsmöglichkeiten Sie beim Aufsetzen eines Erbvertrags haben.
Erbvertrag oder Testament – Was ist der Unterschied?
Bei einem Erbvertrag beziehungsweise einem Testament handelt es sich um eine Verfügung von Todes wegen. Das heißt, beide Dokumente können genutzt werden, um die Verteilung des zu Lebzeiten angesammelten Vermögens zu regulieren. Allerdings bestehen zwischen den beiden Formen wesentliche Unterschiede.
Ein Testament kann immer individuell und ohne Hinzuziehung eines Notars verfasst werden. Als eine Einzelperson können Sie also Ihr Testament eigenständig schreiben und bei sich zu Hause aufbewahren.
Außerdem können Sie Ihr Testament jederzeit ändern und ganz widerrufen. Was Sie alles bei der Verfassung von Testamenten beachten müssen und welches Testament für Sie am besten ist, erfahren Sie hier.
Der Erbvertrag stellt eine andere und rechtlich stärkere Form der Verfügung von Todes wegen dar. Im Gegensatz zum Testament sind mindestens zwei Vertragspartner notwendig. Zusätzlich müssen Sie einen Erbvertrag von einem Notar beglaubigen lassen, sonst ist dieser nicht gültig.
Grundsätzlich hat der Vertrag eine stärkere Bindungswirkung als ein Testament. Dieser kann also nicht einfach einseitig verändert oder aufgehoben werden.
Voraussetzung für einen Erbvertrag
Wie bei dem Verfassen eines Testaments muss der Erblasser als testierfähig gelten. Er muss also in Besitz seiner geistigen Fähigkeiten sein, die ihn dazu bemächtigen, Informationen reflektiert aufzunehmen und sich daraus einen freien Willen bilden zu können.
Bei einem Erbvertrag muss der Erblasser außerdem voll geschäftsfähig sein. Es dürfen also keine Vormundschaftsverhältnisse oder andere, die Geschäftsfähigkeit einschränkenden Umstände herrschen.
In diesen Szenarien macht ein Erbvertrag Sinn
Der Erbvertrag bietet weitaus weniger Gestaltungsmöglichkeiten als ein herkömmliches Testament. Dennoch ist es in vielen Situationen sinnvoller, einen solchen aufzusetzen, weil sich dadurch andere Möglichkeiten ergeben, die ein Testament nicht hergibt.
Erbvertrag für nicht-verheiratete Paare
Wenn Sie einen Partner haben, mit dem Sie nicht verheiratet sind oder in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben, kann es sinnvoll sein, den Partner durch einen Erbvertrag zu begünstigen. Das Erbrecht stärkt nämlich vor allem die Rechte von Ehepartnern oder anders juristisch formalisierten Beziehungen. So sichert zum Beispiel das Ehegattenerbrecht, dass Ehepartner bei einer Erbschaft immer berücksichtigt werden müssen.
Für „normale“ Beziehungen gelten diese Privilegien nicht. Wenn Sie also zum Beispiel Ihren Partner als Alleinerben einsetzen wollen, müssen Sie dies über einen Erbvertrag machen.
Erbvertrag bei der Vererbung von Unternehmen
Eine weitere Besonderheit des Erbvertrags sind die bindenden Verfügungen, die im Vertrag festgeschrieben werden können. Die Erben können ihre Erbschaft nur dann antreten, wenn Sie die Vertragsbindungen erfüllen.
Wegen dieser Bindungswirkung entscheiden sich viele Unternehmer für einen solchen Vertrag, wenn Sie Ihr Unternehmen vererben möchten. So können Sie zum Beispiel im Vertrag festlegen, dass Ihr Kind das Unternehmen nur erben wird, wenn es selber im Unternehmen arbeitet oder sein Studium erfolgreich beendet hat.
Pflichtteilsverzicht
Wenn Sie Ihr Vermögen, Unternehmen oder Immobilie durch ein Testament oder die gesetzliche Erbfolge vererben, werden auch immer Pflichtteilsansprüche fällig. Nahestehende Verwandte haben nämlich immer einen Anspruch auf einen bestimmten Teil des Nachlasses, auch wenn Sie faktisch enterbt worden sind. Mehr zum Thema Pflichtteil und Enterbung finden Sie hier.
Der Erbvertrag bietet die Möglichkeit, dass Pflichtteilsberechtigte auf Ihren Pflichtteil verzichten. Das kann sinnvoll sein, wenn Sie eine Immobilie oder ein Unternehmen vererben wollen. Bei solchen Erbschaften kann die Einforderung des Pflichtteils zu Liquiditätsproblemen führen, wodurch im schlimmsten Fall das Unternehmen oder die Immobilie verkauft werden müssen. Um das zu verhindert, entscheiden sich viele für einen Erbvertrag mit entsprechendem Pflichtteilsverzicht.
Wie ist ein Erbvertrag aufgebaut ?
Von der Sache her ist ein Erbvertrag ähnlich aufgebaut wie ein Testament. Ganz zentral ist die Einsetzung der Erben. Dazu können Sie natürliche und juristische Personen, also Stiftungen, GmbHs oder ähnliche Rechtskörperschaften auswählen.
Des Weiteren können Sie in einem Erbvertrag auch Ihr Vermächtnis organisieren. Das macht vor allem Sinn, wenn Sie eine Person begünstigen wollen, ohne diese als Erben einzusetzen. Außerdem können Sie hier auch noch nicht gezeugte Menschen als Begünstigte wählen. So können Sie zum Beispiel bestimmen, dass ein möglicher Enkel zum 18. Geburtstag 10.000 Euro erhalten soll.
Ein letztes zentrales Element sind die Bedingungen und Auflagen, an die Sie Ihre Erbschaft knüpfen. Sie können zum Beispiel festlegen, dass eine Person die Erbschaft nur erhält, wenn sie sich bis zu Ihrem Ableben um Sie kümmern.
Welche bindenden Verfügungen gibt es beim Erbvertrag?
Grundsätzlich unterliegen alle im Erbvertrag geschlossenen Verfügungen der Bindungswirkung, außer es ist anders im Vertrag festgelegt. Sie können also sicher gehen, dass die von Ihnen gewählten Personen auch wirklich ihren Teil des Nachlasses erhalten, wenn Sie die von Ihnen genannten Bedingungen erfüllen.
Um die Erfüllung der Vertragsbedingungen zu gewährleisten, wird in der Regel ein Testamentsvollstrecker eingesetzt. Diese Person ist für die Testamentsvollstreckung verantwortlich und verwaltet Ihren gesamten Nachlass. Wenn die Vertragsbedingungen nicht erfüllt sind, kann der Testamentsvollstrecker die Auszahlung des Erbes verweigern.

Bindungswirkung
Im Gegensatz zum Testament hat ein Erbvertrag eine stärkere Bindung. Der Erblasser kann also nicht wie bei einem Testament den Erbvertrag jederzeit ändern oder widerrufen.
In welchen Situationen eine Änderung oder Widerrufung möglich ist, erfahren Sie in den folgenden Abschnitten.
Kann ein Erbvertrag geändert werden?
Einmal unterschrieben, ist eine nachträgliche Veränderung des Erbvertrages nicht ohne weiteres möglich. Wenn Sie eine Veränderung an Ihrem Erbvertrag vornehmen wollen, brauchen Sie die Zustimmung aller im Vertrag erwähnten Parteien.
Die Zustimmung zu erhalten ist nicht immer einfach, besonders wenn sich für vorerst Begünstigte durch die Veränderung Nachteile ergeben.
Wenn Sie zum Beispiel eine andere Person als Erben einsetzen wollen, weil Sie mit der im Erbvertrag gewählten Person im Streit liegen, wird die Erreichung einer Zustimmung schwierig sein.
Durch die hohe Bindungswirkung eines Erbvertrags sollten Sie sich gut überlegen, welche Personen Sie begünstigen wollen und welche Aspekte alles Teil des Vertrags werden sollen.
Daher sollten Sie sich unbedingt von einem Anwalt vorher beraten lassen. So können Sie sicher sein, dass der Vertrag genau Ihren Vorstellungen und Wünschen entspricht.
Aufhebung
Wie auch bei den Änderungen eines Erbvertrags können Sie einen Erbvertrag nur nach Zustimmung aller Vertragspartner aufheben.
Allerdings haben Sie Möglichkeit, sich ein sogenanntes Rücktrittsrecht zu sichern. Dieses wird im Vertrag festgeschrieben und verleiht Ihnen das Recht, auch ohne Zustimmung aller Parteien den Vertrag aufzuheben.
Widerrufung
Auch die Widerrufung eines Erbvertrages ist nur möglich, wenn alle Vertragsparteien einer Widerrufung zustimmen. Wenn eine der begünstigten Parteien aber schwere Vergehen begeht oder die im Erbvertrag festgelegten Auflagen deutlich verletzt, kann dieser widerrufen werden.
Selbst bei einer eindeutigen Vertragsverletzung können Sie den Vertrag nicht einseitig widerrufen. Schalten Sie also in einer solchen Situation immer einen Anwalt ein!
Anfechtung
Grundsätzlich haben Sie sowohl als Erblasser als auch als eine im Erbvertrag genannte Partei einen Erbvertrag anzufechten. Allerdings ist das ein juristisch aufwendiges Verfahren, welches nur in bestimmten Situationen eine Erfolgsaussicht hat. Im Folgenden schildern wir drei Szenarien, in welchen ein Erbvertrag angefochten werden kann.
Irrtum
Wenn Sie als Erblasser einen irrtümlichen Fehler bei der Verfassung des Erbvertrags gemacht haben, können Sie diesen Vertrag juristisch anfechten.
Wenn Sie also statt den geplanten 50 000 Euro 500 000 Euro durch den Erbvertrag Ihren Verwandten vermachen, kann dieser für nichtig erklärt werden.
Drohung
Auch eine von den im Erbvertrag erwähnten Parteien ausgesprochene Drohung kann ein gewichtiger Grund sein, einen Erbvertrag anzufechten.
Verletze Pflichtteilsansprüche
Der häufigste Grund, warum ein Erbvertrag angefochten wird, ist das Übergehen von Personen, denen ein Pflichtteil im Todesfall zusteht. Wenn zum Beispiel die Kinder eines Erblassers erfahren, dass sie in dem von ihren Eltern abgeschlossenen Erbvertrag nicht berüchtigt werden, können Sie den Erbvertrag anfechten.
Da Kinder in der Regel als pflichtteilsberechtigt gelten und nur schwer enterbt werden können, werden solche Verfahren oft zu Gunsten der Pflichtteilsberechtigten entschieden.
Allerdings wird nicht gleich der gesamte Erbvertrag für nichtig erklärt, sondern lediglich der Pflichtteil aus dem Nachlass den Pflichtteilsberechtigten zugefügt. Der Rest der im Rahmen des Vertrags getroffenen Bestimmungen wird nachdem Todesfall durchgeführt.
Kosten für einen Erbvertrag
Da Sie einen Erbvertrag nicht wie ein Testament alleine aufsetzen können, kommen auf Sie einige Kosten für die Dienste des Notars zu. Die Kosten sind jedoch von Fall zu Fall unterschiedlich und orientieren sich an der Höhe des gesamten Nachlasses. Je größer das Vermögen, was Sie vererben möchten, desto höher sind auch die Gebühren, die der Notar für seine Arbeit verlangt.
Da in Deutschland alle Notare dem Gerichts- und Notarkostengesetz unterliegen, sind die Preise für die Dienste von Notaren bundesweit einheitlich. Zusätzlich zu den Notarkosten müssen Sie außerdem eine einmalige Gerichtsgebühr in Höhe von 75 Euro zahlen.
Im Gegensatz zu einem unbeglaubigten Testament fallen bei einem Erbvertrag Kosten an, dafür können Ihre Verwanden im Gegenzug Geld sparen. Ihre Verwandten brauchen zum Beispiel keinen Erbschein und die Kosten für diesen entfallen. Mehr über das Thema Notarkosten bei einer Erbschaft können Sie in diesem Artikel nachlesen.

Testament und Erbvertrag – geht nicht einfach beides?
Ein Testament und Erbvertrag sind beides Verfügungen von Todes wegen, die sich grundsätzlich nicht gegenseitig ausschließen. Sie können also sowohl einen Erbvertrag als auch ein Testament aufsetzen, um die Verteilung Ihres Nachlasses zu regeln.
Allerdings müssen Sie hier auf einige juristische Feinheiten achten. Der Vertrag und das Testament sollten so formuliert sein, dass sie sich inhaltlich nicht widersprechen. Sollte ein Widerspruch vorliegen, hat der Vertrag aufgrund der Bindungswirkung eine höhere juristische Stellung und kann nicht durch das Testament aufgehoben werden. Lassen Sie sich also am besten von einem Anwalt beraten, um sicherzugehen, dass sowohl der Erbvertrag als auch das Testament seine Gültigkeit behält.
Erbvertrag – Top-Beratung mit den Fachanwälten von Recht auf Pflichtteil
Die Erstellung eines Erbvertrags ist ein juristisch kompliziertes Verfahren, für das Sie sich von einem Fachanwalt beraten lassen sollten. Durch die hohe Bindungswirkung sollten die im Erbvertrag getroffenen Bestimmungen gut überlegt sein, denn eine einseitige Änderung ist hinterher nicht mehr möglich.
Unsere Partnerkanzleien sind auf das Erbrecht spezialisiert und haben bereits unzählige Menschen bei der Erstellung ihrer individuellen Erbverträge juristisch unterstützt. Egal ob Sie allgemeine Fragen haben, konkrete Vorstellung hinsichtlich ihrer Durchführbarkeit überprüfen wollen oder die Anfechtung eines bereits bestehenden Erbvertrages anstreben – die Experten von Recht auf Pflichtteil stehen an Ihrer Seite und kümmern sich mit großer Sorgfalt um ihre erbrechtlichen Angelegenheiten.
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